Dienstag, 24. August 2010

Topinambur


Es war Frühling, die Luft wurde warm und die Tulpen trugen dicke, verheißungsvolle Knospen. Die Mirabelle umgab eine Wolke von duftenden, weißen Blüten, die von Bienen umschwärmt wurden. Die Stauden reckten sich mit kleinen, zarten Blättern verschlafen aus der Erde hervor und die ersten, anmutig umherflatternden Schmetterlinge lösten das wohlige Gefühl aus, dass die kalte Jahreszeit vorbei sei. Es war die absolute Frühlingsidylle in meinem Garten, es herrschte Odnung und Harmonie.

Diese frühlingshafte Ruhe und Sorglosigkeit wurde jedoch plötzlich, eines morgens, als ich schlaftrunken mit meinem Kaffee durch den Garten flanierte (so gut das bei 100 qm Garten geht), gestört. Inmitten des Garten, in der Mitte der Rasenfläche, entdeckte ich kleine Triebe.

In Bruchteilen einer Sekunde dämmerte mir die Erkenntnis, um was es sich handelte: Topinambur. Nicht im Beet, nicht in einer Ecke des Hinterhofes, nein, mitten im Rasen. Während mir kalter Schweiß die Stirn hinabrann und ich grübelte, wie Topinambur in meinen Garten käme, sah ich mein Leben, insbesondere die Momente, in denen ich Schreckensberichte über diese Pflanze gehört oder gelesen hatte, in Zeitlupentempo an mir vorbeiziehen.

Adieu, schöner Garten der Biodiversität, Adieu grüner Rasen. Die Wirklichkeit war kalt und ungemütlich: mein Garten würde Stück für Stück von diesem Monster eingenommen werden. Kein Platz mehr für Gemüse, meinen liebevoll gepflegten Rittersporn, nie wieder stolze Fingerhutblüten und Meere an Krokus. Es würde überall Topinambur wachsen. Die alten Backsteine der Terrasse würde zwischen seinen Stängeln zermalmt werden und ich würde mir mit einer Gartenschere Schneisen in den Topinamburdschungel schlagen müssen um dort morgens Kaffee zu trinken, sodenn ich selber nicht von diesen Pflanzen zerquetscht würde.

Doch wie das Leben spielt, kam alles anders. Denn ich dachte an die wundervollen, leuchtenden Blüten, die leckeren Knollen und überlegte mir, dass eine große Insel aus Topinambur mitten im Rasen zu meinem chaotischen, unbekümmerten Garten passt. Kleine Fehler gestalten die Persönlichkeit, nicht nur bei Menschen, sondern auch im Garten. So wuchsen auf einem Quadratmeter, in der Mitte der Grünfläche, fast drei Meter hohe Pflanzen heran. Nun blühen sie sonnengelb und ich freue mich unglaublich an ihnen. Ich weiß, dass aus den fünf oder sechs Pflanzen im nächsten Jahr Dutzende werden können. Aber bis dahin ist es noch eine lange Zeit und ich verschwende noch keine Gedanken an sie. Noch ist alles gut. Sehr gut sogar.

Also, ängstliche Gärtner, seid unbesorgt und macht euch mal locker. Seit Monaten ist diese Pflanze bei mir, es ist nichts Schlimmes passiert. Diese Pflanze rockt!

4 Kommentare:

  1. Na jetzt musste ich aber schmunzeln, wie schön Du erzählen kannst liebes Gartenmädchen.

    Also ich mag den Topinambur, die gelben Blüten schauen doch sehr hübsch aus.

    Herzliche Grüße
    von Anke

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  2. Na,na....
    Wenn sie Dir gefällt, schön und gut, aber das Monster anderen Gärtnern schmackhaft zu machen find ich etwas hinterlistig.... ;-))
    Ausprobieren musste ich ihn natürlich auch mal, aber nur bis zum erstenmal kochen, dann flog er hochkant raus....

    lg Frieda

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  3. Das hast du wunderschön geschrieben - eine richtige kleine Ode an den Topinambur.
    Ich habe noch keinen in meinen Garten geholt. Wäre jedoch aus unerfindlichen Gründen einer aufgetaucht, hätte ich es sicherlich ebensowenig über's Herz gebracht, ihn zu entfernen.
    Liebe Grüße, Margit

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  4. Ich habe auch Topinambur in meinem Garten. Man muss das Zeug halt ab und zu reduzieren, sonst holt sich diese Pflanze einfach alles. Mir gefallen die gelben Blüten. Die Knollen koche ich nicht mehr. Ich mag sie nur noch roh. Sie haben einen nussigen Geschmack. Meistens gebe ich sie in dünne Scheibchen gehobelt zu einem gemischten Salat. Mmmmh!

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